Vortragsveranstaltung an der Kieler Universität

kai rsick

Der Verbrauch von Natur wurde und wird in den Bilanzen von Betrieben und Volkswirtschaften nicht angemessen abgebildet, häufig sogar ganz „externalisiert“. Um der Natur in einer zahlen- und geldorientierten Gesellschaft Gewicht zu geben, wurden auch in Deutschland verschiedene Bewertungssysteme entwickelt, vom „ Wert eines Vogels“ (Vester 1983) bis zur aktuellen Studie „Naturkapital Deutschland“ (TU Berlin; UFZ Leipzig 2014).

Um den „Wert des Waldes“ ging es bei einer Vortragsveranstaltung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) am Donnerstag, 20. März 2014. Das Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume, das Institut für Natur- und Ressourcenschutz der CAU und der Verein Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein lud alle Interessierten herzlich in den Hans-Heinrich-Driftmann-Hörsaal (Olshausenstraße 75, 19:00 Uhr) ein. Das Grußwort hielt Dr. Robert Habeck, Schleswig-Holsteins Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume. Den Vortrag hielt Dr. Lutz Fähser, ehemaliger Leiter des Stadtwaldes Lübeck.

 

Ein Buchenwald in Schleswig-Holstein. Copyright/ Foto: Kai Rösick

Über den Vortrag von Dr. Lutz Fähser schrieb Nicoline Henkel

Die wohl erstaunlichste Botschaft des Abends war: Nachhaltigkeit im Wald zahlt sich auch wirtschaftlich aus

Wälder sind die vielfältigste Erscheinungsform der belebten Natur. Ihre Komplexität und Funktionalität sind letztlich nicht vollständig erfassbar oder gar zu bewerten. Dennoch wird auch für sie der Versuch unternommen, ihre Ökosystemleistungen monetär in Wert zu setzen, um dadurch Eingang in wirtschaftliche Rechnungssysteme und Entscheidungsvorgänge zu finden. Die Diskussion um Machbarkeit, Zweckmäßigkeit sowie die ethische Legitimation der Monetarisierung von Natur und Wald ist im Gange. Die UN bietet hierfür das umfassende Bewertungssystem TEEB (The Economics of Ecosystems and Biodiversity) an. Diese Hintergründe hat Fähser in seinem Vortrag beleuchtet. Er ist Diplom-Forstwirt mit Promotion in Betriebswirtschaft. Von 1986 bis 2009 war er Leiter des Stadtwaldes Lübeck. Darüber hinaus ist er im Vorstand der Umweltkammer des Forest Stewardship Council (FSC)-Deutschland und ständiges Mitglied des Stiftungsrates der “Michael Succow Stiftung zum Schutze der Natur“ in Greifswald.

Seit 1994 gilt das Lübecker Konzept als "Best Practice" im Sinne der Beschlüsse vom internationalen Umweltgipfel von Rio 1992. Deshalb wurde es auch von Greenpeace und anderen Umweltverbänden als eigene Konzeptforderung übernommen. Auch große Stadtwälder wie die von Berlin, München, Saarbrücken, Wiesbaden, Bonn, Hannover, Göttingen u.a. sind dem Lübecker Stadtwaldkonzept gefolgt. Auch die Landesforste von Schleswig-Holstein hatten sich in diesem Sinne umgestellt und dieses im Landeswaldgesetz von 2004 festgeschrieben. Nach dem nächsten Regierungswechsel in der Landesregierung wurde das Gesetz wieder gekippt zu Gunsten einer hauptsächlich ökonomisch orientieren Wirtschaftsweise, die noch heute andauert.

Als Dr. Lutz Fähser 1994 sein Konzept für den Lübecker Stadtwald vorstellte, ging ein Aufschrei durch die Institutionen. Nachhaltiges Wirtschaften im Wald durch Naturnähe? Undenkbar ohne intensive technische Eingriffe . Der Begriff Nachhaltigkeit bedeutet, dass man einen Wald oder ein Ökosystem für immer in einer angepassten, sich selbst regenerierenden Weise erhalten kann. Fähser hat den Lübecker Stadtwald 23 Jahre lang naturnah und damit nachhaltig bewirtschaftet, was auch ökonomisch tatsächlich das Günstigste war. Trotz der guten und dokumentierten Ergebnisse in Lübeck werden auch zwanzig Jahre später Ökologie und Ökonomie noch immer von vielen Meinungsführern in Deutschland für unvereinbar gehalten.

Dabei machen es uns die Urwälder vor, wie Dr. Lutz Fähser erklärte: Sie haben sich seit Millionen von Jahren selbst entwickelt und sind noch immer da. Und wenn man das überträgt auf das Wirtschaften, muss man ein paar Prinzipien einhalten.

Das bedeutete erstens: Naturnähe. Dass man die Wälder sich möglichst naturnah entwickeln lässt- in ihren Strukturen, in ihrer Dynamik und in ihren Funktionen. Möglichst dicht an der natürlichen Ausprägung, das ist für nachhaltige Bewirtschaftung die höchste Priorität.

Das zweite ist: Suffizienz . Wenn man erntet, muss man sich darauf beschränken, nur so viel zu ernten wie das natürliche System von sich aus leisten könnte. Dass man sich begnügt und das System nicht überfordert.

Und das dritte für den Bewirtschafter selber: das Minimumprinzip. Das heißt, dass man alle Maßnahmen mit einem Minimum an Störungen, einem Minimum an Eingriffen realisiert.

Im Wald wirtschaftet man in der sogenannten Urproduktion - dort, wo der Produktionsfaktor Natur die größte Rolle spielt. Waldwirtschaft ist hier nie rentabel, wenn man den Produktionsfaktor Natur nicht weitestgehend gewähren lässt. Denn der ist kostenlos, flexibel und passt sich an Schwierigkeiten an und bremst sie sozusagen aus. Das heißt, man hat die geringen Kosten, geringeres Risiko und eine hohe Produktivität, wenn man den Wald nicht stört, dann produziert der Apparat am besten. Das hat sich auch in etlichen Studien gezeigt, dass dieses Lübecker System den üblichen Waldwirtschaftssystemen in Deutschland ökologisch, und gerade deswegen ökonomisch deutlich überlegen ist. Etwa um den Faktor 30 bis 40 Prozent.

Wenn man so viel reglementiert wie das viele Forstleute immer noch tun, reduziert man die Kapazität dieses natürlichen Ökosystems. Der Wald ist und bleibt ein unbekanntes System , und man kann gerade betriebswirtschaftlich nur gewinnen, wenn man das naturnahe System weitestgehend sich selbst überlässt.

Das bedeutet in betriebswirtschaftlichen Zahlen: Man reduziert die Kosten auf Anhieb um mindestens 50 Prozent gegenüber den üblichen Eingriffssystemen der deutschen Forstwirtschaft und erntet ältere und wertvollere Produkte (Bäume).

Ein weiterer Vorteil: Man hat auch ein viel geringeres Risiko, dass die Bäume durch Borkenkäfer, Stürme oder Feuer kaputtgehen. Wenn man den Wald so gestaltet, wie ihn die Natur eigentlich an dieser Stelle gemacht hätte, hat man automatisch das geringste Risiko.